(im Volksmund "Ntsikana")
Der südafrikanische Adlige, Komponist und Geistliche wurde um 1780 geboren. Seine Heimatregion führt den historischen Namen Xhosaland und ist heute Teil der südafrikanischen Provinz Ostkap. Neben den Xhosa wurde die Gegend seinerzeit überwiegend von Angehörigen der Khoi und San bewohnt. Ntsikanas Vater hieß Gaba ka Thana und war Berater von König Ngqika ka Mlawu. Seine Mutter, Nonabe ka Bindi, war die Zweitfrau von Gaba. Als erblicher Nachfolger seines Vaters wurde Ntsikana nach der Xhosa Kulturtradition erzogen, der er bis ins Mannesalter treublieb. Um 1815 hatte er mehrere Visionen, die ihn dazu bewogen, sich mit dem Christentum zu befassen. Ob und inwiefern Ntsikana davor mit dem Christlichen Glauben in Berührung gekommen war, ist nicht bekannt. Womöglich war er den Missionaren Johannes Theodorus van der Kemp und James Read begegnet, die jeweils ab 1799 und 1800 im Xhosaland tätig waren. Nach seinen Visionen begann Ntsikana einschlägige Gesänge zu komponieren. Anschließend entwickelte er eine Lehre und gründete eine Glaubensgemeinschaft. Komplementär tauschte er sich in den Jahren 1816 bis 1820 regelmäßig mit den örtlichen Missionaren Joseph Williams und John Brownlee aus. Als Dichtermusiker hat Ntsikana aus traditioneller Xhosa Dichtkunst und Musik geschöpft.
Zudem hat er in seinen Predigten an die Erzählkunst seiner Heimat angeknüpft. Durch diese Neuerungen hat er vielen Ortsansässigen den Zugang zum Christentum erleichtert. Wenngleich die Bekehrer durch Königshaus und Volk begrüßt worden waren, war ihr Handeln nicht immer von Erfolg gekrönt. Viele Einwohner des Xhosalandes hatten bis dahin noch keine europäische Sprache vernommen. Des Weiteren gab es seinerzeit noch keine Khoi, San oder Xhosa Äquivalente für biblische und christliche Terminologie, was die Dolmetscher vor Herausforderungen gestellt hat. Hinzukam, dass die europäischen Gemeindegesänge von einer anderen Wesensart waren als die einheimische religiöse Musik. Das Augenmaß erstreckte sich nicht zuletzt auf politische Gefilde: Ntsikanas Wirken hat sich vor dem Hintergrund der Kapgrenzkriege zugetragen. In seiner Instanz als königlicher Berater hat er auf Annäherung und Verständigung gesetzt. Ntsikana verstarb um 1821.
Seine Gesänge hat Ntsikana mündlich komponiert und vermittelt. Nach seinem Ableben wurden sie ebenfalls mündlich weitergegeben. Die Liedtexte wurden ab 1822 durch mehrere Personen abgeschrieben, die Musik erstmals ab 1876 von John Knox Bokwe transkribiert, arrangiert und veröffentlicht. Erhalten sind vier Kompositionen. Parallel zur Veröffentlichung mehrerer Transkriptionen und Arrangements hat die mündliche Überlieferung weiterhin stattgefunden. Folglich liegen die Gesänge jeweils in mehreren Versionen vor, die zum Teil beträchtliche Unterschiede aufweisen. Nachfolgende Erläuterungen berücksichtigen jeweils vereinigend mehrere Fassungen, die im Zeitraum 1822 bis 1986 mittels Transkriptionen und Tonaufzeichnungen dokumentiert worden sind. Diese Vorgehensweise ist aus dem Wunsch heraus entstanden, trotz der Verschiedenheiten Kernaspekte zu erfassen.
"Intsimbi ka Ntsikana" ("Ntsikanas Glocke")
In der Regel kündigte Ntsikana den nahenden Beginn des Gottesdienstes an, indem er einen Stein schlug, der glockenartige Töne von sich gibt, folglich "Glockenstein" getauft worden ist. Der Gesang beginnt mit einer onomatopoetischen Nachahmung von Glockentönen. Anschließend lädt der Liedtext dazu ein, segensbringende Worte zu hören, die aus dem Himmel stammen.
"Dalubom" ("Schöpfer des Lebens")
Dies ist ein Lobgesang auf einen Schöpfer des Lebens, der von oben waltet. Des Weiteren erinnert das Gedicht an den Beitrag der ersten Missionare.
"Ingoma engqukuva" ("Hymne der hornlosen Ochsen")
Ntsikana bezeichnete seine Jünger sinnbildlich als hornlose Ochsen, wodurch er die seiner Lehre inhärente Bekenntnis zu Demut und Friedensförderung unterstreichen wollte. Der Text ruft dazu auf, sich einem neuen Glauben zu öffnen, der über die Ozeane ins Xhosaland gebracht wurde.
"Ulo Thixo omkhulu" ("Der Große Gott“, im Volksmund "Die Große Hymne")
Der sowohl textlich als auch musikalisch umfangreichste der Gesänge schildert zunächst einen Schöpfer, der im Himmel wohnt; anschließend einen Hirten, der blutet. Aus christlicher Sicht sind somit die Schöpfung und das Leiden Jesu ineinanderfließend zusammengefasst.
Im Lichte jener Zeit haben Ntsikanas Hinweise auf einen Allmächtigen im Himmel großen religionspädagogischen Wert. Denn die alten Religionen der Khoi, San und Xhosa erkennen jeweils mehrere Gottheiten an, die unterschiedliche Sphären bewohnen. Die Liedtexte knüpfen symbolträchtig an "Izibongo" an, eine Gattung der Xhosa Lyrik, die traditionell oft dazu dient, die Chroniken von Königshäusern zu vermitteln sowie Herrscher zu loben. Komplementär enthalten die Gesänge mehrere Elemente von schwarzafrikanischer Musik im Allgemeinen (darunter Call and Response, Pentatonik sowie Quarten-, Quinten- und Oktavparallelen) und Xhosa Volksmusik im Besonderen (klangliche Merkmale der Hochzeitsmusik und Musikbögen). In den Transkriptionen und Arrangements von Bokwe weisen Melodik, Rhythmik und Harmonik den Einfluss abendländischer Musik (namentlich des Anglikanischen Gesangs und Viktorianischer Kirchenlieder) auf. Da Bokwes musikalische Bildung westlich geprägt war, geht die Musikforschung davon aus, dass diese Elemente zumindest teilweise von ihm integriert wurden. Zugleich stellt sich die Frage, ob und inwiefern Ntsikana bzw. nach ihm die ersten Überlieferer durch die europäischen Hymnen beeinflusst worden waren, die sie von Missionaren gelernt hatten.
Ntsikanas Kompositionen erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit: Namentlich die "Grosse Hymne" wurde durch diverse Glaubensgemeinschaften adoptiert. Zu diesen zählen die Katholische Kirche, Methodistische Kirche und Order of Ethiopia Church. Des Weiteren haben die Gesänge Volkliedstatus erlangt und werden nicht selten bei außerkirchlichen Anlässen aufgeführt. Anschließend haben sich zahlreiche Tonkünstler von Ntsikanas Schaffen inspirieren lassen. Dazugehörend sind Benjamin Tyamzashe, Abdullah Ibrahim und Péter Louis van Dijk. Die Summe der betreffenden Kompositionen ergibt eine große Bandbreite, die von Solo- und Chorstücken bis hin zu Orchester- und Bühnenwerken reicht. Ebenfalls facettenreich sind die Wiedergaben der zunächst vorwiegend mündlich überlieferten Lebensgeschichte, die augenscheinlich dem Zeitgeist der jeweiligen Epoche angepasst wurden. Während z.B. einige Fassungen aus dem 19. Jahrhundert den Einfluss der Missionsbewegung vermuten lassen, wurden hingegen einige Versionen aus jüngerer Zeit womöglich in Anlehnung an die Entkolonialisierung stilisiert. Kontext
Arrangement | Bokwe,John Knox | Christentum | Europa | Gesang | Hymne | Komponist | Komposition | Mann (Kategorie) | Musik | Pentatonik | Quarte | Quinte | Religion | Rhythmus | Songtext | Südafrika | Tageszeitung | Transkription | Xhosa | Kategorie "Ntsikana ka Gaba"
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Stand: 05.10.2024, letzte Änderung: 15.05.2024
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