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Worlds of Music

Afrikanische Klavierkunst  aus: WORLDS OF MUSIC

(engl. "African pianism")

Der vom nigerianischen Komponisten, Musikwissenschaftler und Pianisten Akin Euba eingeführte Sammelbegriff bezeichnet Ansätze für die Übertragung von Elementen afrikanischer Musik auf das Klavier. Den Terminus verwendete Euba erstmals in dem 1970 erschienenen Aufsatz "Traditional Elements as the Basis of New African Art". Eine Begriffserklärung veröffentlichte er jedoch erst 1989 im Rahmen der vom Bayreuther Iwalewahaus herausgegebenen "Essays on Music in Africa 2: Intercultural Perspectives". Eine weitere Definition publizierte 1994 der ghanaische Musikethnologe und Komponist Joseph Hanson Kwabena Nketia, nämlich im Vorwort zu seinem Werk "African Pianism: Twelve Pedagogical Pieces". Das deutsche Äquivalent "afrikanische Klavierkunst" fand erstmals im Rahmen des am 10. Mai 1989 in Bayreuth stattgefundenen Themenkonzerts Verwendung, der den Titel "Towards an African Pianism / Wege afrikanischer Klavierkunst" trug.

Die Begriffserklärungen von Euba und Nketia stimmen miteinander überein, die aufgegriffenen Merkmale können wie folgt kombiniert zusammengefasst werden:

· Verwendung vielmals wiederkehrender Themen bzw. Motive
· Integration von Melodien bzw. rhythmischen Mustern, die identifizierbaren Gattungen bzw. Werken afrikanischer Volks- oder Popularmusik entstammen
· Integration von Melodien bzw. rhythmischen Mustern, die keinen identifizierbaren Quellen entstammen, jedoch mit jenen afrikanischer Musik vergleichbar sind
· Einbeziehung perkussiver Aspekte des Klaviers bzw. einschlägiger Spielweisen
· Nachahmung afrikanischer Musikinstrumente

Beide Begriffserklärungen schließen alle einschlägigen Werke für oder mit Klavier ein, ohne Einschränkungen bezüglich der Besetzung. Nach eigenen Angaben komponierte Euba bereits ab 1963 entsprechende Werke. Zudem sind spätestens seit Beginn des 20. Jahrhunderts Kompositionen entstanden, die obengenannte Merkmale aufweisen. Beispiele sind die im Jahre 1910 vollendeten "Zulu Wedding Chant" und "Zulu Funeral Chant" von Bosman di Ravelli. Hieran anknüpfend sollte die Bezeichnung "afrikanische Klavierkunst" auch rückwirkend verwendet werden. Während in Fachschriften zu afrikanischer Musik oft streng zwischen den unterschiedlichen Regionen und Bevölkerungsgruppen unterschieden wird, findet sich in obengenannten Definitionen keine derartige Angrenzung. Demnach schließt hier "afrikanische Musik" alle auf dem Kontinent und seinen Inseln anzutreffenden Strömungen und Gattungen ein. Komplementär zu schwarzafrikanischer Musik kann z.B. die arabisch geprägte ägyptische Volksmusik oder die mit asiatischer Kultur verwobene kapmalaische Popularmusik ebenfalls als Grundlage afrikanischer Klavierkunst dienen. Aufgrund der Verwobenheit Afrikas mit Weltregionen wie z.B. den Amerikas oder der Karibik erscheint es zudem angemessen, die Musik dieser Regionen ebenfalls als mögliche Grundlage afrikanischer Klavierkunst zu betrachten. Diesbezüglich sei auf Werke wie z.B. "Danças Características Africanas" von Heitor Villa Lobos (Brasilien), "Spiritual Suite" von Margaret Bonds (USA) oder "Jamaican Medley" von Eleanor Alberga (Jamaika) hingewiesen, die in ihrer jeweiligen Eigenart einen Afrikabezug aufweisen.

In seiner Definition betonte Nketia, dass die Bezeichnung "afrikanische Klavierkunst" keiner Denkschule vorbehalten ist sowie dass Einzelheiten der Umsetzung ausschließlich dem Geschmack des jeweiligen Komponisten unterliegen. Komplementär ist eine Vielfalt an Vorgehensweisen dokumentiert, die sich grob in drei Kategorien unterteilen lassen:

Aus dem Wunsch heraus, die Essenz afrikanischer Musik zu erfassen sowie die Elemente möglichst originaltreu zu verwenden, haben einige Exponenten afrikanischer Klavierkunst Musikethnologie oder vergleichbare Disziplinen beherzigt. Zu den betreffenden Tonkünstlern zählt Eubas Landsmann Christian Onyeji. Zweitgenannter entwickelte im Rahmen seines Promotionsstudiums "research composition" (zu Deutsch etwa "forschungsbezogenes Komponieren"), eine Methodik für das Komponieren auf der Grundlage musikethnologischer Erkenntnisse. Zudem setzt sich Onyeji für den Begriff "drummistic piano" ein. Mit diesem von "drum" (Trommel) und "piano" (Klavier) abgeleiteten Terminus bezeichnet er eigene sowie vergleichbare Klavierkompositionen weiterer Künstler. Aus Onyejis Feder stammt u.a. "Oga: Maiden’s Dance". Das Werk ist eine pianistische Realisierung des gleichnamigen Volkstanzes.

Eine weitere Kategorie stellen jene Komponisten dar, die Merkmale afrikanischer Musik erfassen und integrieren, ohne sich streng nach bestimmten Gattungen oder Musikinstrumenten zu orientieren. Dabei entstehen z.B. Melodien oder rhythmische Muster, die an afrikanische Musik erinnern, jedoch keinen identifizierbaren Quellen entstammen. Als Beispiel sei Isak Roux genannt, der u.a. "Preludes in African Rhythm" komponiert hat. Isak Roux ließ sich von diversen afrikanischen Musikgattungen und -instrumenten inspirieren. Form, Harmonie und Rhythmen sind an afrikanische Muster angelehnt. Hingegen stammen die Melodien vorwiegend von Roux. Mit Ausnahme des ersten und siebenten Stückes hat Roux in den "Preludes in African Rhythm" keine Volksmelodien zitiert.

Während bei Komponisten wie Onyeji oder Roux afrikanische Musik gefühlt im Vordergrund steht, ist bei Tonsetzern der nächsten Kategorie eine offenkundige Erkennbarmachung der Synkrise wahrnehmbar. Nicht zuletzt in "Talking Drums" verschmolz Joshua Uzoigwe Igbo und Yoruba Volksmusik mit nicht tonaler Musik nach Arnold Schoenberg. In der "Partita Africana" kombinierte Hendrik Hofmeyr u.a. Elemente von San und Nguni Volksmusik mit jenen von abendländischer Kunstmusik des 18. Jahrhunderts. Des Weiteren schrieb Surendran Reddy mehrere Kompositionen, in denen er europäische Kunstmusik, Jazz und Mbaqanga vereint.

Ab 1989 initiierte Euba mehrere Projekte mit, die zur Verbreitung der umfassenden Bezeichnung beigetragen haben. Diese mündeten 2005 in die Anthologie "Towards an African Pianism: Keyboard Music of Africa and the African Diaspora". Zahlreiche weitere Akteure haben sich ebenfalls für den Begriff eingesetzt. Unter den Konzertpianisten sind nicht zuletzt William Chapman Nyaho und Rebeca Omordia zu nennen. Beide spielten entsprechende Alben ein und absolvieren regelmäßig Auftritte. Zudem veröffentlichte Nyaho die Anthologie "Piano Music of Africa and the African Diaspora" und rief Omordia in London die African Concert Series ins Leben. Des Weiteren haben mehrere Musikwissenschaftler einschlägige Werke veröffentlicht. Hierzu zählen Kofi Agawu, Cynthia Tse Kimberlin und Christine Lucia.

Die Definitionen von Euba und Nketia beziehen sich streng genommen auf das Medium Klavier und die Sparte Kunstmusik. Vorliegender Beitrag ist entsprechend verfasst. Zugleich sind in der Cembalo- oder Orgelliteratur vergleichbare Aspekte anzutreffen. Gleiches gilt für die Popularmusik, unter Rücksichtnahme elektronischer Tasteninstrumente. Diese Faktoren laden zu entsprechenden Erkundungen und Diskursen ein.


Kontext

Afrika | Bayreuth | Bosman di Ravelli | Deutschland | Euba,Akin | Klavier | Komponist | Komposition | Kunstmusik | Melodie | Musik | Musikethnologe | Musikinstrument | Pianist | Popmusik | Präludium | Rhythmus | Roux,Isak | Volksmusik | Zulu |

Kategorie "Afrikanische Klavierkunst"

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