[auch "Township Jive", "Mgqashiyo" oder "Simanjemanje"]
Als Untergattung des südafrikanischen Jazz vereint der Mbaqanga Elemente von amerikanischem Gospel, amerikanischem Jazz oder Rhythm & Blues mit jenen von diversen südafrikanischen Musikstilen wie z.B. Famo, Kwela oder Maskanda. Ein Mbaqanga-Ensemble besteht in der Regel aus einem Leadsänger, mehreren Backingsängern und einigen Instrumentalisten. Während die Aufführungspraxis einiger südafrikanischer Musikgattungen traditionell entweder Frauen oder Männern vorbehalten ist (man denke z.B. jeweils an Wosana oder Isicathamiya), ist jene des Mbaqanga geschlechtsunabhängig. Die Liedtexte sind jeweils in englischer Sprache, in schwarzafrikanischen Sprachen (darunter Nördliches Sotho, Südliches Sotho, Tsonga und Zulu) sowie mehrsprachig. Weitere Kernelemente der Aufführungspraxis sind Choreografien und Kostüme, die an afrikanische Muster angelehnt sind. Laut einiger Musikforscher bezeichnete das Zulu Wort "Mbaqanga" ursprünglich eine Art Teigtasche, einige nennen hingegen eine Maisbreisorte. Diese Diskrepanz lässt darauf schließen, dass Ungewissheiten bezüglich der Anfänge bestehen. Zugleich spricht die Benennung des Musikstils nach einem Lebensmittel dafür, dass Anspielungen und Assoziationen Bestandteile der Entstehung, Aufführungspraxis und Rezeption des Mbaqanga sind und waren.
Zuweilen wird der Mbaqanga als unpolitisch beschrieben. Dies beruht auf der Beobachtung, dass die Liedtexte keine expliziten Hinweise auf politische Themen aufweisen. So besehen stellt dieser Musikstil einen krassen Gegensatz zu Freiheitsliedern oder zu den Protestliedern von Künstlern wie Miriam Makeba und Koos Kombuis dar, die seinerzeit die Apartheid öffentlich kritisiert haben. Zugleich ist nicht auszuschließen, dass die Exponenten des Mbaqanga das Geschehen mittels Andeutungen kommentiert haben. Anzeichen hierfür finden sich nicht zuletzt in dem Text zu dem erstmals 1988 veröffentlichten Song "Melodi ya lla [ka pitšeng tše kgolo]" (zu Deutsch etwa "Horch! Aus dem großen Topf erklingen Melodien") von Mahlathini and the Mahotella Queens. Am Anfang wird das Phalafala erwähnt, ein Musikinstrument das traditionell gespielt wird um gesellschaftsrelevante Ankündigungen oder Veranstaltungen einzuleiten. An weiteren Stellen des metaphernreichen Gedichtes heißt es jeweils "Dilo di fetogile, mothieletši" ("Lieber Zuhörer, die Dinge haben sich geändert") und "Music is produced from the same pot" ("Alle Musik wird in demselben Topf zubereitet"). Der Hinweis auf Dinge, die sich verändert haben lässt sich damit in Verbindung bringen, dass die südafrikanische Regierung in den 1980er Jahren nicht zuletzt aufgrund zahlreicher Sanktionen unter erhöhtem Druck stand, der Apartheid ein Ende zu setzen. Die Bemerkung, dass alle Musik denselben Ursprung hat kann als Aufruf zur Aufhebung der Apartheid verstanden werden, wobei die genannte musikalische Vielfalt stellvertretend für kulturelle Vielfalt im Allgemeinen steht, die ohne Einschränkungen gelebt werden sollte. Mehrere weitere südafrikanische Musiker, darunter Isak Roux und Sello "Chicco" Twala, haben sich damals mittels Allegorik oder Fiktionalisierung zur Lage geäußert, wie dies beispielsweise jeweils "Dona nobis pacem" und "We miss you Manelow" bezeugen. Denn auf Kritik und Protest hat der südafrikanische Staat mit Polizeigewalt und Zensur geantwortet, wovon auch weiße Künstler wie z.B. Kombuis oder PJ Powers betroffen waren. Makeba konnte das System unbefangen öffentlich kritisieren weil sie im Ausland lebte.
Als bekanntester Exponent des Mbaqanga gilt die um 1964 in Johannesburg begründete Formation Mahlathini and the Mahotella Queens. Diese bestand ursprünglich aus dem Leadsänger Simon Nkabinde, der den Künstlernamen "Mahlathini" führte; den Backingsängerinnen Mildred Mangxola, Juliet Mazamisa, Nobesuthu Mbadu, Ethel Mngomezulu und Hilda Tloubatla ("Mahotella Queens" genannt); und der fünfköpfigen Band "Makgona Tsotlhe" (zu Deutsch "Die Alleskönner"). Die Makgona Tsothle waren West Nkosi (Saxofon und Pennywhistle), Marks Mankwane (Leadgitarre), Vivian Ngubane (Rhythmusgitarre) Joseph Makwela (Bass) und Lucky Monama (Schlagzeug). Das Ableben Nkosis, Mankwanes und Nkabindes in den Jahren 1998 und 1999 setzte der jahrzehntelangen Zusammenarbeit ein Ende. Nach der Trauerzeit wurde die Formation in "Mahotella Queens" umbenannt und setzte mit teilweise neuer Belegschaft ihre internationale Tätigkeit fort.
Weitere Vertreter sind Juluka, Stimela, die Soul Brothers und Yvonne Chaka Chaka. Außerhalb Südafrikas hat das Genre nicht zuletzt Harry Belafonte, Paul Simon, Malcolm McLaren und Real Ones inspiriert. Zu den betreffenden Songs zählen jeweils "Paradise in Gazankulu", "Gumboots", "Double Dutch" und "All The Way Back (Shades of Mbaqanga)". Der Mbaqanga gilt als Wegbereiter des in den 1980er Jahren entstanden Bubblegum, der wiederum im Folgejahrzehnt in den Kwaito mündete. Eine weitere Schwestergattung ist der Mitte der 1990er Jahre aufgekommene Boereqanga, der u.a. Boeremusiek und Mbaqanga zusammenführt. Zudem ist der Mbaqanga integraler Bestandteil des von Surendran Reddy konzipierten Kompositionsstils "Clazz", dessen weitere Kernelemente Jazz und westliche klassische Musik sind. Kontext
Afrikanische Klavierkunst | Amerika | Apartheid | Aufführungspraxis | Boereqanga | Deutschland | Dube,Lucky | Jazz | Leadsänger | Lied | Mahotella Queens | McLaren,Malcolm | Melodie | Musik | Musikinstrument | Musikstil | Popmusik | Songtext | Südafrika | Zulu | Kategorie "Mbaqanga"
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Stand: 12.10.2024, letzte Änderung: 27.03.2024
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