Der im südafrikanischen Piketberg als Jan Gysbert Hugo Bosman geborene Pianist, Schriftsteller und Komponist war schon zu Lebzeiten vielen Menschen ein Geheimnis. Der Versuch einer Annäherung erschließt einige Aspekte, die einerseits zu näherer Betrachtung einladen, andererseits den Blick trüben: Die umfangreichsten Primärquellen, nämlich Bosmans autobiografische Schriften, sind nach eigenen Angaben teilweise fiktiv. Dabei werden einige Personen ohne Vor- oder Nachnamen bzw. viele Ereignisse ohne Datum genannt. Zudem weisen die Manuskripte und veröffentlichten Texte beträchtliche inhaltliche Unterschiede auf. Die Sekundärquellen, die vorwiegend aus Lexikoneinträgen und zeitgenössischen Medienberichten bestehen, enthalten ebenfalls Diskrepanzen. Hinzukommt Bosmans Neigung zu angenommenen Namen. Neben "Bosman di Ravelli" (gelegentlich nur "Ravelli") sind fünf weitere erfasst. Diese Aspekte erschweren die Ermittlung von Dokumenten und Fakten. Trotzdem lässt sich ein facettenreiches Bild konstruieren:
Den ersten Musikunterricht erhielt Bosman von der älteren Schwester, einer Schülerin des in Stellenbosch wirkenden Friederich Wilhelm Jannasch. Nach dem Schulabschluss studierte er zunächst alte und moderne Sprachen am Victoria College, dem Vorgängerinstitut der Universität Stellenbosch. Nachdem er jedoch um 1898 das Klavierspiel von Apolline Niay sowie von Albert Friedenthal im Konzert erlebt hatte, entschloss er sich zu einem Musikstudium. Dessen ungeachtet blieb die Liebe zur Sprache lebendig. An seinem Lebensabend sollte Bosman darauf zurückblicken, 18 Sprachen gelernt sowie diverse Übersetzungen und Eigenschriften verfasst zu haben.
Im Oktober 1899 siedelte Bosman nach Leipzig über, wo er am dortigen Konservatorium Klavierschüler Alexander Winterbergers wurde. Ebenfalls in Leipzig debütierte er 1902 mit dem Ersten Klavierkonzert von Fryderyk Chopin. Anschließend konzertierte er europaweit. Das Jahr 1905 sah Bosmans erste Rückkehr nach Südafrika. Dort trat er mehrfach als Solist auf sowie gemeinsam mit den Sängerinnen Annie Visser, Daisy Bosman und Elsa Leviseur. Zudem hielt er Vorträge. Der wirtschaftliche Erfolg war bescheiden. Nicht zuletzt der 1902 beendete Zweite Burenkrieg hatte Musikausübung an den Rand gedrängt. Ein weiterer Schwerpunkt dieser Zeit war die Auseinandersetzung mit afrikanischer Musik. Als Gast von König Dinuzulu kaCetshwayo konnte Bosman Zulu Volksmusik in ihrer Wiege miterleben. Die Eindrücke fanden ihren Niederschlag in den "Drie Liederen" für Singstimme und Klavier (1909) sowie in den Klavierstücken "Zulu Wedding Chant" und "Zulu Funeral Chant" (1910). Aufgrund der in diesem Rahmen erfolgten Verschmelzung westlicher Kunstmusik mit afrikanischer Volksmusik kann Bosman als Exponent afrikanischer Klavierkunst (zu Englisch "African pianism") betrachtet werden. Zudem gelten die "Drie Liederen" als die ersten Kunstlieder in afrikaanser Sprache. Aus Bosmans Feder stammen ebenfalls die ältesten erfassten afrikaanssprachigen musikjournalistischen Beiträge, nämlich die im Mai bis Oktober 1910 in der Zeitschrift "Die Brandwag" erschienene Artikelserie "Fantasie o’er die lewe van die komponis Chopin". Am 31. Mai 1910 wurde die Südafrikanische Union errichtet. Dadurch waren die unterschiedlichen Territorien, aus denen Südafrika bis dahin bestanden hatte, erstmals unter einem gemeinsamen Dach vereint. In diesem Zusammenhang hat Bosman versucht, eine nationale Musikakademie zu gründen. Das Vorhaben konnte aufgrund unzureichender Unterstützung nicht verwirklicht werden.
Im November 1910 begab sich Bosman erneut nach Europa, wo er weiterhin als Konzertpianist wirkte. Parallel lernte er weitere Sprachen und setzte seine schriftstellerische Tätigkeit fort. Während eines Locarnoaufenthalts im Jahr 1919 befasste er sich intensiv mit der arabischen Sprache und erstellte anschließend ein arabisch-englisches Glossar mit Schlüsselbegriffen aus dem Koran. Weitere Übersetzungen arabischsprachiger Texte sind "The Travels of Ibn Jubayr" (zwei Bände) und "The Diwan of Al-Hansa". Die Manuskripte harren der Veröffentlichung. In London erschien 1921 der Gedichtband "In an Italian Mirror". Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges lebte Bosman in Florenz. Aufgrund der Feindschaft zwischen Italien und dem Vereinigten Königreich (und somit der Südafrikanischen Union) wurde er zum Kriegsgefangenen.
Im Alter von nunmehr 74 Jahren verlegte Bosman 1956 seinen Wohnsitz nach Strand nahe Kapstadt. Drei Jahre später wurde er zum Ehrenmitglied der Suid-Afrikaanse Akademie vir Wetenskap en Kuns ernannt. 1963 bis 1964 veröffentlichte er die vierteilige autobiografische Artikelserie "Music’s Exile" in der Zeitschrift Vita Musica. Zudem erschien 1964 in Kapstadt die Erzählung mit autobiografischen Zügen "Saint Theodore and the Crocodile". Zeittafel (2)
1882 24. Februar * Jan Gysbert Hugo Bosman (Piketberg, Kapkolonie, Britisches Weltreich) 1967 20. Mai Jan Gysbert Hugo Bosman (Strand, Republik Südafrika) Kontext
Afrika | Afrikanische Klavierkunst | Arabien | Chopin,Frederic | England | Kapstadt | Leipzig | Lied | London | Musik | Musikakademie | Musikjournalist | Musikstudium | Solist | Stellenbosch | Südafrika | Volksmusik | Zeitschrift | Zulu | Zweiter Weltkrieg |
Stand: 12.12.2024, letzte Änderung: 06.06.2024
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