Von Eleonore Büning
Noch die banalste Kadenz spielt er wie eine bedeutsame Angelegenheit, die unbedingt erzählt werden muss: Igor Levit
03. Mai 2010
Vor sechs Jahren hörte ich Igor Levit zum ersten Mal.
Die in diesem Rahmen 1907 begonnene Emerson Ouverture beruhte auf einem früher entstandenen Männerchor mit Orchesterbegleitung, doch formte Ives sie alsbald zu einer Art Klavierkonzert um, in dem das Orchester die Welt und das lauschende Volk verkörperte, während das Soloklavier den predigenden, lehrenden Emerson durch »zentrifugale« Kadenzen repräsentierte (eine Überdosis an Kadenzen, wie Ives später monierte).
In der langen Kadenz des zweiten Satzes, die hin zur finalen und ziemlich finsteren Passacaglia führt, erfühlt Jansen über die technische Makellosigkeit hinaus das vielleicht wichtigste Wesensmerkmal von Brittens Musik: Bei aller Passion ist sie an einer Überwältigung des Hörers nicht interessiert.
Interpreten als Sprachrohr des Komponisten
Das lässt sich das Horn nicht zweimal sagen: In einer großen Kadenz spielt es all seine Überlegenheit aus, steigt in Fafnersche Drachenwurmtiefen hinab und mit magischen Echo- und Dämpfereffekten wieder hinauf, bis auf abenteuerliche Berggipfel und Waldeshöhen.
Das Stück lebt von zwei neapolitanischen Liedern, wie sie in den Gassen von Neapel gesungen wurden: sehnsuchtsvoll schmachtend zu Beginn, con eleganza‚ ordentlich variiert, mit einer virtuosen Kadenz bis zu einem längeren Triller, der das Finale ankündigt.
Deutlich ernster kommt da das 20 Jahre später komponierte Violinkonzert von Frank Martin daher, dreisätzig, überhaupt klassischer in der Anlage und mit einer großen, dankbaren Kadenz für die Solistin im ersten Satz.
Als Pianist spielt er gern - unter lautem Stöhnen - extravagante Kadenzen, als Komponist schreibt er gut hörbare Kompaktpartituren, die westliche Ohren in nicht allzu gewagte Klanggefilde führen.
Songpoesien und Instrumentalstücke
Daniel Saks verpasste seinem heutzutage zwischen Brooklyn und Mexico City siedelnden Bandprojekt augenzwinkernd das Etikett "im 15. Jahrhundert verwurzelter Indie-Rock, durchsetzt von tief mysteriösen, bezaubernden Kadenzen der alten sephardischen Tradition".