|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
21655 Artikel online | 1
hamburg.stream – ein online-Projekt der Jazz Federation Hamburg zur Aufrechterhaltung des Kulturbetriebs
hamburg.stream entstand als unmittelbare Reaktion auf die Herausforderungen, mit denen die Kultur zu Beginn der Corona-Pandemie konfrontiert war, und erweist sich bis heute (Stand Mitte April 2021) als anspruchsvolle, nachhaltige und zugleich absolut zukunftsfähige Plattform für Musik im digitalen Raum. Am 14. April 2020 gestartet, setzte das Team von hamburg.stream in weniger als 12 Monaten ca. 90 Streams um, bot fast 400 Musiker:innen in einem auf Jazz ausgerichteten, aber durchaus divers aufgestellten Programm eine Bühne und sammelte rund 80.000€ Spenden.
Für alle Beteiligten wurde hamburg.stream somit zu einer Möglichkeit, sich trotz aller Einschränkungen in einem sicheren und optimalen Umfeld künstlerisch zu entfalten – mit klarem Konzept und innovativen Lösungsansätzen. Bei der Auswahl von Musiker:innen wurde ein bewusst breiter Ansatz gewählt, neben etablierten Profis wurde jungen Nachwuchsmusiker:innen und Studierenden eine Bühne geboten und u.a. Stipendien-Konzerte für in Not geratenen Musiker:innen aus Hamburg realisiert.
In kurzer Zeit wurde auf Initiative von Prof. Wolf Kerschek (Leiter des Jazz-Departments der Hochschule für Musik und Theater Hamburg), Clemens Seemann (Kultursystem gGmbH) und Christophe Schweizer (Jazz Federation Hamburg e.V.) die Plattform hamburg.stream ins Leben gerufen. Ziele waren vor allem eine sich durch herausragende Qualität auszeichnende Übertragung in Klang und Bild, eine direkte finanzielle Unterstützung der Musiker:innen durch niedrigschwellige Spendenmöglichkeiten sowie die Ermöglichung von qualifizierter Interaktion zwischen dem Publikum und den Musiker:innen – drei Kernelemente, die zur erfolgreichen Entwicklung bei Publikum und Ausführenden geführt haben.
Mit den Phina Musik Studios (Hamburg) und der Jazz Federation konnten zum Beginn des Projektes zwei wichtige Partner zur Sicherung der Qualität der Übertragungen und des Programms gewonnen werden. hamburg.stream hat sich inzwischen als Projekt erwiesen, das nicht nur einen kreativen und innovativen Umgang mit den Problemen der Pandemie für Live-Musik und Musiker:innen entwickelt hat, sondern eine Brücke schlägt zwischen neuen, anspruchsvollen digitalen Angeboten, Künstler:innenförderung und Formen organisatorisch anpassungsfähiger Live-Musik auf hohem Niveau.
Was passierte konkret?
Das Projekt hamburg.stream hatte insbesondere zum Ziel, Hamburger Musiker:innen eine internet-basierte Aufführungsmöglichkeit mit garantierter Honorierung (plus Erfolgsbeteiligung – siehe unten) zu gewährleisten. In den 12 Monaten von April 2020 bis März 2021 konnten so insgesamt über 90 Auftritte mit fast 400 Musiker*innen (darunter fünf Orchester/Bigbands mit jeweils mehr als 10 Künstler*innen) erfolgen. Die weitaus meisten Aufführungen wurden aus den Phina-Studios gestreamt (ca. 70), weitere sechs aus dem auf klassische Aufnahmen spezialisierten Syrinx-Studio, und weitere Übertragungen erfolgten aus der Veranstaltungs-„Halle 424“ im Oberhafen-Gebiet (im Rahmen einer Kooperation mit dem Hamburger Jazzbüro beim Festival „Jazz open im Exil“ im September 2020), aus der Hamburger „Fabrik“ und aus dem „Resonanzraum“, teilweise mit (eingeschränktem) Publikum. Vom auf modernen Freejazz ausgerichteten „Outreach“-Festival in Schwaz/Österreich wurden im August 2020 drei Streams ausgesendet. Ein besonderes Highlight stellte eine online-Ausgabe der seit über 20 Jahren durchgeführten Reihe „Harburger Rathauskonzerte – Stars von morgen“ dar, die am 9. August 2020 ohne Publikum übertragen wurde. Hier präsentierten Professor:innen der Hochschule für Musik und Theater Hamburg einige ihrer begabten Meisterschüler*innen. Damit überwand dieses streaming-Format sehr schnell die lokalen, auf ein Studio beschränkten Grenzen und etablierte sich als Plattform für verschiedenste Aufführungsorte und Veranstaltungsarten.
Insofern sind die Initiatoren mit einer durchschnittlichen Clickzahl von gut 1.500 pro Event (je etwa die Hälfte auf Youtube und auf Facebook) durchaus zufrieden. „Spitzenreiter“ mit jeweils rd. 5.000 Zuschauern waren die Auftritte von Vladyslav Sendecki und Stefan Gwildis. Diese Reichweite wurde mit relativ geringem PR-Aufwand erzielt: die diesbezüglichen Maßnahmen beziehen sich im wesentlichen auf einen regelmäßigen Newsletter an ungefähr 3.000 Empfänger sowie posts auf den facebook-Seiten von hamburg.stream (https://www.facebook.com/hamburg.stream/) und Jazz Federation.
Unter der Vielzahl aufgetretener Künstler ist sicherlich die Mehrzahl der mehr oder weniger bekannten professionellen Hamburger Jazzmusiker vertreten – Künstler wie Gabriel Coburger, Vladyslav Sendecki, Ken Norris oder die Jazzpreisträgerin Lisa Wulff, aber auch der Hamburger cross-over-Sänger Stefan Gwildis, der Trompeter Markus Stockhausen oder Nachwuchs-Klassik-Künstler wie der preisgekrönte Pianist Nima Mirkhoshhal und die Violinistin Johanna Roehrig.
Technische Voraussetzungen: Um eine hochwertige und dynamische Übertragungstechnik zu gewährleisten, wurden die Phina-Studios in Hamburg für das Projekt sehr schnell „aufgerüstet“, insbesondere durch die Anschaffung diverser Kameras, Mischpulte, Beleuchtungseinrichtungen und weiterer digitaler tools. Von Kultursystem Berlin wurde die internet-Plattform www.hamburg.stream eingerichtet, auf der sämtliche Aufnahmen auch heute noch nachgehört und -gesehen werden können. Ein dreiköpfiges Team um den Filmemacher Hendrik Schacht sorgt für die Qualität der audiovisuellen Aufnahme mit in der Regel einer Still-Kamera und zwei Bewegt-Kameras. Die Aufführungen werden meist durch den Leiter des Studios, Wolf Kerschek, oder den Vorsitzenden des Jazz Federation-Vereins, Christophe Schweizer, anmoderiert; sie führen nach den Konzerten oft auch eine kleine Diskussionsrunde mit den Musikern durch.
Finanzierung: Die sehr aufwendige Technik und (wo)manpower des Projektes war nur mit Hilfe einer intensiven Fundraising-Kampagne zu leisten: Das hochwertige Equipment wurde maßgeblich mit Hilfe von Stiftungen und Vereinen finanziert (u.a. Jazzbüro Hamburg und Jazz Federation, Zajadacz- und Toepfer-Stiftung), während der laufende Betrieb sowie die Gagen vor allem mit Hilfe einer engagierten Spenden-Kampagne sichergestellt werden konnte. Dazu wurde das Tool der „Fundraising-Box“ installiert, womit jedes Konzert individuell gesponsert werden konnte und was auch explizit eine Erfolgsbeteiligung der auftretenden Künstler bei hohem Spendenaufkommen ermöglichte. (Insgesamt wurden über 40.000€ an Gagen ausgekehrt!) Schließlich konnten auch Mittel des Musikstadtfonds der Freien und Hansestadt Hamburg, die wegen der Reise- und Auftrittsbeschränkungen nicht mehr dem ursprünglichen Zweck zugeführt werden konnten, zugunsten von hamburg.stream umgewidmet werden.
Pandemische Rahmenbedingungen: Während der Stream-Aufführungen wurde stets auf die geltenden Regelungen geachtet, und es gab Auftritte überwiegend kleinerer Formationen. Das ca. 200m² große Aufnahme-Studio ermöglichte ohne Probleme jeweils die Einhaltung der notwendigen Abstandsregeln. Seit Beginn des zweiten Lockdowns wurden fast ausschließlich Solo- oder Duo-Formate gebucht, die sich dann, zusammen mit dem Studio-Team, jeweils einem Selbsttest unterzogen. Das galt auch für den einzigen Bigband-Auftritt in diesem Jahr mit dem Michel Schröder Ensemble, das dann aber aus Platzgründen doch in den viel größeren Resonanzraum ausweichen musste.
Das gleich nach Beginn der pandemischen Restriktionen „aus dem Boden gestampfte“ Projekt hamburg.stream zeigt beispielhaft, wie man sehr schnell unter bisher nicht gekannten Ausnahmebedingungen eine neue Aufführungs- und Veröffentlichungstechnik entwickeln kann, die den Kulturbetrieb wenigstens partiell aufrecht erhalten kann. Binnen weniger Wochen wurden von den drei Initiatoren die technischen, finanziellen und organisatorischen Voraussetzungen geschaffen, um wöchentlich ein bis zwei Konzerte aufzunehmen und professionell zu streamen. Ein besonderes Kennzeichen unseres Projektes war die von Anfang an hohe audiovisuelle Qualität, getragen von hochwertiger Sound-, Misch-, Licht- und Kamera-Technik, kombiniert mit professionellem Equipment und umgesetzt von einem engagierten und besonders qualifizierten Team. In der Hamburger Szene und auch darüber hinaus waren die Aufführungs-Termine daher auch sehr begehrt und schnell vergeben, insbesondere auch, weil mit dem Stream-Archiv ein interessantes Marketing-Tool angeboten wurde. Wir gehen davon aus, dass wir auch zu einer Zeit mit wieder durchgehend live-Konzerten mit hamburg.stream ein Streaming-Werkzeug haben, das lokale Ereignisse im Netz überregional verbreitet und so deren Reichweite bestmöglich verbreitert.
Ausblick: Der Erfolg der bisher drei Stream-Staffeln motivierte das Team von hamburg.stream, dieses Format auch für eine vierte Staffel mit Beginn ab April 2021 weiter zu entwickeln, auch getragen von der Unsicherheit über die Wiederaufnahme des Konzertbetriebs in diesem Jahr. Hauptaugenmerk soll dabei darauf gerichtet werden, die Interaktion mit dem Publikum zu stärken, also Künstler*innen und Zuschauer*innen besser miteinander zu verbinden. Perspektivisch geht man davon aus, dass in Zukunft immer wieder auch Live-Veranstaltungen gestreamt werden, um die Reichweite zu erhöhen – sowohl für den jeweiligen Veranstalter wie auch für die beteiligten Künstler. Im Gegensatz zum ersten Streaming-Jahr, wo die meisten Veranstaltungen aus dem Studio gestreamt wurden, wird damit der logistische und organisatorische Aufwand aufgrund des häufigen Ortswechsels deutlich höher sein, und vermutlich werden die Spendeneinnahmen anlässlich von Live-Aufnahmen zurückgehen.
Günter Muncke
veröffentlicht am 01. Mai 2021
Artikel drucken
Weitere Artikel
| To Shiver the Sky "Die Menschen sind töricht,
Sie können nicht fliegen"
Diese Worte aus dem Lied "Die Vögel" von Franz Schubert laden nach wie vor zum Nachdenken ein: Das Urteil darüber, ob die Menschheit seit dem Jahr 1820 klüger geworden ist, sollte vielleicht kommenden Generationen überlassen werden. Dass aber Menschen fliegen können, ist heute unstrittig. Mit ihren geistigen und metallenen Flügeln können sie sogar höhere Sphären erkunden als das gefiederte Volk. Im Oratorium "To Shiver the Sky" ("Den Himmel beben lassen") hat Christopher Tin das multiperspektivische Verhältnis von Mensch, Himmel und Weltraum beleuchtet und kommentiert. |
| Amame: Mari Boine & Bugge Wesseltoft Eigentlich war alles ganz anders geplant: Anfang 2020 lebte die samische Künstlerin Mari Boine in Tromsø im Norden Norwegens und bereitete mit dem Produzenten Svein Schultz ein neues Album vor. Doch die Corona-Pandemie traf das Projekt hart - ein Treffen im Studio war auf unabsehbare Zeit nicht möglich. So ergriff Svein Schultz die Chance, einen Job als Schulleiter an der Kulturschule in Hamarøy anzunehmen. Mari Boine blieb allein und hörte Klaviermusik. Es dauerte nicht lange, bis sie Kontakt zu Bugge Wesseltoft aufnahm, der 2002 ihr Album „Gávcci Jahkejuogu – Eight Seasons“ produziert hatte.
|
| Irish Melodies (Thomas Moore) "The Last Rose of Summer" ist das bekannteste Lied aus den bis heute in England und Irland populären "Irish Melodies", die Thomas Moore erstmals 1808 veöffentlichte. Die von irischen Folksongs inspirierten Kunstlieder sind in den Jahren 1807 bis 1834 entstanden. In den ursprünglichen 10 Bänden sind jeweils 10 bis 16 der insgesamt 124 Lieder enthalten. Zuweilen wurden anderweitige Sammeltitel wie z.B. "Moore’s Irish Melodies" oder "Moore’s Illustrated Melodies" verwendet. |
| In meinem wilden Herzen - Rilke Projekt Unter dem Sammeltitel „Rilke Projekt“ werden Texte von Rainer Maria Rilke interpretiert. Hierbei finden Rezitation, Gesang und Instrumentalmusik gleichermaßen Beachtung. Begründet wurde das Projekt vom Komponisten- und Produzentenduo Schönherz & Fleer. Das erste Rilke Projekt-Album trägt den Titel „Bis an alle Sterne“ und ist 2001 erschienen. Es folgten „In meinem wilden Herzen“ (2002), „Überfließende Himmel“ (2004), „Weltenweiter Wandrer“ (2012), „Wunderweiße Nächte“ (2018) und „das ist die SEHNSUCHT“ (2022). |
| Generation Cancellation: „Ich habe keine Wahl. Geh oder stirb.“ Vor zwei Jahren war Little Big noch die Band, die Russland zum ESC in Rotterdam schicken wollte. Als Putins Truppen die Ukraine überfielen, posteten die Musiker eine schwarze Kachel "No war!" auf ihrem Instagram-Kanal - es musste auf Druck der staatlichen Stellen entfernt werden. Im Juni hat Little Big die Konsequenzen gezogen: Sie verließen das Land, dessen Regime lügt, zerstört, drangsaliert und eine ganze Generation canceln will. |
| I’m The Putin-Man Wer Randy Newman 2017 im Song "Putin" gut zugehört hat, konnte ahnen, wohin das Ego des Kreml-Herrschers führen wird. Randy Newman erhielt einen Grammy für "Putin" und Greil Marcus sah Kurt Weill und Bertolt Brecht "vor Freude in ihren Gräbern tanzen". Newmans Warnung vor dem notorischen Lügner, Kriegsverbrecher und Diktator blieb folgenlos - nun steht die Welt hilflos vor dem Geschehen in der Ukraine. |
| BONE MUSIC ... und was riskierst du für deine Musik? Nach dem Ende des 2. Weltkriegs bis Mitte der 1960er Jahre blühte in der Sowjetunion ein besonderer Schwarzmarkt: Zensierte Musik, von Bill Haleys "Rock around the Clock" bis zu russischen Gangsterliedern, wurde auf ausrangierte Röntgenaufnahmen kopiert. Der britische Musiker Stephen Coates stieß 2016 auf einem Berliner Flohmarkt auf Bone Music-Aufnahmen.
|
| What a Wonderful World Er war der größte Star des Jazz, seine gute Laune ansteckend und sein Trompetenspiel und Gesang unverkennbar: Vor 50 Jahren starb Louis Armstrong, der erste schwarze Musiker, der es zu Weltruhm gebracht hatte. Seine Fassungen von Hello Dolly, Blueberry Hill, When the Saints Go Marchin’ In, Dream a Little Dream of Me und dem St. Louis Blues gehören zum kollektiven Gedächtnis. |
| Bella Ciao - Partisanenlied als offizielle Hymne? In Italien wird aktuell heftig über ein Lied gestritten: Parlamentarier linker Parteien und der Cinque Stelle haben vorgeschlagen, "Bella Ciao" zur offiziellen Hymne des 25. Aprils zu machen, des Gedenktags für die Befreiung von Faschismus und deutscher Besatzung. Das Partisanenlied stehe für die "höchsten Werte der Republik" und solle künftig bei offiziellen Anlässen gleich nach der Nationalhymne erklingen. |
| „Excavated Shellac“ - 100 Schellack-Schätze Schellackaufnahmen aus Mauretanien, Mauritius und den Okinawainseln: Für sein Indielabel „Dust to Digital“ wählte Jonathan Ward nach fünfjähriger Recherchearbeit 100 Lieder aus. Die Kompilation versammelt 78er Plattenaufnahmen von Panama bis Japan - eine alternative Geschichte der Weltmusik. Ergänzt wird das Paket durch ein Begleitbuch mit Hintergründen und Geschichten der Songs.
|
ᐅ hamburg.stream - Hamburg bleibt live! ᐅ Reinhard Barth: Va, pensiero ᐅ Algorithmen vollenden Beethoven ᐅ Jukebox alter Meister